Was sind die wichtigen Dinge im Leben? Und wie hängt eine niederschmetternde Niederlage in Erlangen damit zusammen? Eigentlich überhaupt nicht. Die wichtigen Dinge im Leben sind doch irgendwie sehr subjektiv, komplex und sprengen den Zeitrahmen der meisten Philosophie Vorlesungen an den Universitäten. Die Niederlage der ersten Mannschaft der Karlsruher Herren in Erlangen lässt sich dahingehend recht trocken und schnell analysieren:
- Hin- und Rückfahrt: 537,8 Kilometer
- Spieleranzahl: 14
- Endergebnis: 10:4
- Kalorienverbrauch pro Spieler: ≈ 1200 kcal
- Verlorene Groundballs: zu viele
- Geweinte Tränen: zu wenige
- Unterdrückte Tränen: zu viele
- Dabei verlorene Lebenszeit: ≈ ein (wirklich sehr) sonniger Tag
Die letzte Niederlage reiht sich somit allen weiteren Tiefpunkten der Rückrunde unter. Kein guter Stoff, um eine Laudatio auf das Team zu schreiben. Hätte man die Zeit lieber nur mit den wichtigen und schönen Dingen im Leben verbracht. Aber das Schöne am Wort eigentlich ist, dass es eben doch nicht so ist. Dass der äußere Anschein nur scheint, aber in Wirklichkeit anders ist. Hier ein Erklärungsversuch:
- Ich hätte meinen Kindern erzählt, dass sie die Distanz zum eigenen geschlossenen Auto überbrücken können, indem sie den Autoschlüssel neben ihren Kopf halten, den Mund öffnen, in Richtung Auto schauen und auf den Knopf drücken. Jetzt weiß ich, dass der menschliche Körper ein natürlicher Verstärker für elektromagnetische Felder ist, ich den Mund überhaupt nicht öffnen muss, weil es nichts bringt und ich so nur dämlich aussehe. Anstelle dessen werde ich meinen Kindern erzählen, dass mir das die Physiker vom KIT auf der Autofahrt nach Erlangen erklärt haben und dass das Lachen lauter als DJ Bastilles Musik war.
- Persönlich erinnere ich mich nicht mehr an das dialektale/soziolektale Wort, das Coach Nikli in seiner Ansprache vor dem Spiel benutzt hat, um die Jungs heiß zu machen. An was ich mich erinnere, ist, dass ich den Vergleich unpassend fand, aber trotzdem einen kleinen Schmunzler auf den Lippen hatte. Ich bin mir sicher, dass ich mich auch nicht an das Wort erinnern muss, um mich an die positive Anspannung und Vorfreude auf das Spiel zu erinnern. Nach einigen Jahren kennt man sich dann doch irgendwie aus und hat bestimmte emotionale Berg- und Talfahrten während eines Spieles öfters erlebt. Gleichzeitig bleibt mir dieses elektrisierende und sehr spezifisches Gefühl vor dem Spiel gegen Erlangen gerade deswegen so stark in Erinnerung, weil ich mich nicht mehr an das Wort erinnere. Eigentlich seltsam – aber eben nur eigentlich.
- Auf eine Grillfeier zu gehen, deren Gäste man während der Corona-Pandemie sporadisch kennen gelernt hat, einmal die Woche getroffen hat und trotzdem teilweise nicht mal den Job, Geburtstag oder Nachnamen kennt, klingt eigentlich anstrengend. Vor allem, wenn die besagte Feier nach der besagten Niederlage stattfindet. Möglicherweise eine Überraschung: eigentlich klingt es anstrengend. Aber wenn eine verlorene Hose von nicht nominierten Spielern gebracht wird, wenn Freunde aus anderen Bundesländern wegen eines Melonenschnaps miteingebunden werden, wenn aus einem Bart die schönsten Worte kommen, wenn sich wegen erfreulichen Nachrichten alle in den Armen liegen und wenn man merkt, dass niemand wirklich noch an eine Niederlage denkt, weil alle betrunken vor Glück (hauptsächlich) sind, dann weiß man, dass man die kleinen wichtigen Dinge im Leben erlebt.
Der Mensch ist ein Steh-Auf-Männchen. Klischeebehaftet wie es sein mag: Aus Verlusten, Ängsten und Niederlagen werden die wichtigsten und schönsten Dinge im Leben erst richtig deutlich. Ich bin davon überzeugt, dass mit einem Sieg gegen Erlangen die Diskrepanz zu den wirklich wichtigen Dingen im Leben kleiner gewesen wäre. Wären die tollen Erinnerungen immer noch da gewesen? Auf jeden Fall! Aber erst durch die Niederlage und den Frust darüber kann man die Erfahrungen richtig einordnen und sie als tatsächlich wichtige Dinge erkennen. Deswegen: Danke an alle Stormer! Danke für die Niederlage und danke, dass ich dabei sein durfte!